Auferstehung der Arbeit in der ätherischen Welt
Die Ich-Form der Wirklichkeit
Vortrag von Wolf-Ulrich Klünker bei der Tagung der Anthroposophischen Gesellschaft in Deutschland „Karma des Berufs“: Bochum, 25. Juni 2010.
Christlichkeit heißt heute Sachlichkeit. Ich habe dieses Thema gewählt mit dem Untertitel „Die Ich-Form der Wirklichkeit“. Man könnte auch sagen: „die neue Existenzform des Ich in der Wirklichkeit und das Ich als Wirklichkeit und die Wirklichkeit als ichförmig“. Das erachte ich als sachgerecht. Es ist nicht nur nötig, dass wir aufgrund des sozialen Wandels, aufgrund der menschheitsgeschichtlichen Entwicklung, sondern dass wir auch aus esoterischen Gründen zu einem neuen Arbeitsbegriff kommen.
Esoterisch heißt für mich – und ich glaube, da sind wir wirklich eine Stufe weiter als vor hundert Jahren zur Zeit Rudolf Steiners: Es gibt nichts mehr, wenn nicht das Ich bewusst dabei ist. Bis in die Substanzbildung hinein wird in Zukunft nur das wirklich sein, was mit dem Ich bewusst verfolgt wird. ‚Bewusst‘ heißt ja nicht intellektualistisch oder rationalistisch. Es wird nur da eine Substanzbildung und eine Wirklichkeit geben, wo ich dabei bin. Das ist der neue Begriff von Esoterik. Die Wirklichkeit, die da ist, ohne dass das Ich dabei ist, ist immer weniger Gegenwart, ist immer weniger Realität, und da müssen wir auch in der Anthroposophie enorm aufpassen. Wo das Ich jetzt nicht aktuell präsent und dabei ist, da ist gar keine Gegenwart, sondern da ist eine prolongierte Vergangenheit, die mit der Gegenwart permanent verwechselt wird.
Es ist hier deutlich geworden, dass es eine ungeheure Sehnsucht in der Zivilisation gibt, und auch eine Sehnsucht im Ich, die darauf zielt, die Arbeit zu befreien. Die Arbeit zu befreien heißt, sie mit dem esoterischen Zug zu versehen, den ich meine: sie ist nur da real, wo das Ich anwesend ist und sich das Ich durch diese Arbeit entwickelt. Das ist die Realität, die wir esoterisch und geisteswissenschaftlich anzustreben haben. Die Massivität ist kein Ausdruck mehr von Realität. Die neue Realität ist nicht gesellschaftlich, ist nicht seelisch, ist nicht zwischenmenschlich massiv und ist nicht spektakulär. Sondern sie ist ganz klein, und das ist ein zutiefst christliches Thema für diesen Bereich des Ätherischen. Denn christlich heißt: das ganz, ganz Kleine, wenn ich es bemerke – und es zu bemerken ist die Aufgabe des Ich – das ganz Kleine kann ganz, ganz groß werden. Das kleine Kind in der Krippe, so gut wie nicht existent, ist das göttliche Wort, ist der Logos, ist das Wort, aus dem alles geworden ist und zu dem alles sich hinbewegt. Dass diese Arbeit jetzt begonnen hat, dass diese ätherische Wirklichkeit der Logos-Realität da ist, das zu realisieren und daran zu arbeiten, das wäre eigentlich die Auferstehung der Arbeit in der ätherischen Welt.
Das ist etwas zutiefst Menschlich-Christliches. Man kann auch so fragen: Wie ist das beim Tier? Das Tier hat kein Gehalt; das Tier hat keine Rente; das Tier hat kein Sparguthaben; das Tier hat auch keine Schulden; es bekommt und zahlt keine Zinsen. Das ist heute ja alles für die Menschen ganz wichtig. Es ist ein Problem der Realisierung von Mehrwert (wir kommen darauf zurück). Ist Mehrwert das, was wir jetzt als Auferstehung der Arbeit durch die Wirklichkeit des Ich beschrieben haben, oder ist der Mehrwert eine Automatik im Geldwert? Um diese Frage geht es zurzeit in der Finanz- und Wirtschaftskrise.
Das Tier macht auch keinen Urlaub. Arbeitet das Tier? Wie ist es mit dem Engel? Der Engel, das muss man genauso parallel sagen, hat kein Gehalt, hat keine Rente; der Engel hat kein Sparguthaben und keine Schulden; er hat keine Zinsen, die er entweder bekommt oder zu bezahlten hat; und der Engel hat auch keinen Urlaub, das heißt, er hat keine Freiheit, keine Freizeit. Weder Tier noch Engel können durch Grundeinkommen freigestellt werden. Sie haben in diesem Sinne nicht diese Freiheit des Ich. Daran wird deutlich: das Thema Arbeit ist sozusagen die christliche Religion des Ich im Ätherischen. Denn Arbeit und Mensch gehören zusammen; Arbeit und Ich gehören zusammen und Arbeit und Erde gehören zusammen. Das Tier ist nicht genügend inkarniert, der Engel ist gar nicht inkarniert. Arbeit und Erde, Arbeit und Ich auf der Erde, Arbeit und Inkarnation: sie sind das auch dieses große Thema der Tagung „Beruf und Karma“.
Beruf und Karma heißt nicht: ich habe einen Beruf, oder jetzt werde ich durch karmische Klärung meinen Beruf finden, oder der Beruf wird mir zur karmischen Klärung helfen. Sondern: Beruf und Karma hängen insofern zusammen, als diese Arbeit zur Ätherisation der Wirklichkeit mich überhaupt erst auf die karmische Spur bringt, auf der ich mich befinden soll. Das heißt, es ist falsch zu sagen: Wir haben Karma. Genauso, wie es falsch ist zu sagen: Wir haben Anthroposophie. Es ist auch falsch zu sagen: Es gibt Karma, es gibt Anthroposophie. Man kann auch nicht sagen: Es gibt Geschwindigkeit. Es gibt weder Karma, noch Anthroposophie, noch gibt es Geschwindigkeit, sondern wir kommen immer weiter in die Situation, dass das menschliche Ich durch die Tätigkeit der Ätherisierung im Dabeisein Realität schafft. Ätherisation heißt nicht eine Wirklichkeit, die jenseits des Ich besteht, sondern, wenn es nicht Vergangenheitsätherisches sein soll, ist es das, bei dem das Ich dabei ist, mit dem es sich im Sinne einer neuen christlichen Substanzbildung verbindet. Auch das ist relativ neu und gehört zu der Bewusstseinsseelen-Situation des 21. Jahrhunderts.
Das fängt eben im ganz, ganz Kleinen an. Jeder hat Erfahrung damit, wie diese ganz winzig kleine innere Verbindung schon einmal solche Wirkung gehabt hat, dass man sagen kann: Es ist da ätherisch aus dem ganz Kleinen in einer Art Resonanzeffekt für mich das ganz, ganz Große geworden. Und dieser Resonanzeffekt ist nicht als Ursache-Wirkungs-Verhältnis zu antizipieren – der stellt sich ein. Es ist ein Resonanzeffekt auf das ganz Kleine, aus dem ganz Großen, aus dem Logos-Geschehen heraus. Diese Situation wird immer mehr dasjenige sein, was als Wirklichkeit beschrieben werden kann. Und das Bewusstwerden davon, das ist Arbeit. Karma ist nicht da, sondern ich stelle mich in meinen karmischen Strom hinein durch diesen Schritt in die Zukunft. Das bedeutet aber: Wenn ich diesen Zukunftsschritt nicht mache, dann bin ich gar nicht in meinem Ich-Karma, das mit Christus verbunden ist, sondern dann bin ich in einem Vergangenheits-Karma, von dem gilt, dass dieses Karma gar nicht Gegenwart ist. Weil die Zukunftsverbindung fehlt, ist dieses „Karma“ nichts anderes als eine falsch prolongierte Vergangenheit, die mit der Gegenwart verwechselt wird.
Was bewirkt in diesem Sinne eigentlich Arbeit? Wozu arbeitet man? Was ist der Effekt der Arbeit? Wodurch entsteht der berühmte Mehrwert? Wenn man das historisch nimmt: der Bau der Pyramiden und der Kathedralen, die Bauarbeiten an den Totenkammern, die Bauarbeiten an Gotteshäusern: wie ist das eigentlich, ist das Religiöse beispielsweise da nur Überbau gewesen, oder ist das Religiöse Ursache für dasjenige, was sich dann baulich durch die Arbeit realisieren konnte? Die Arbeit gäbe es nicht, auch historisch gesehen, gäbe es keine Arbeit in der physischen Welt ohne diese Art religiöser Motivation. Das ist auch bis ins 19. Jahrhundert hinein bei Profanbauten zu verfolgen: es gäbe keine Arbeit ohne religiösen Zweck. Das mittelalterliche „ora et labora“, bete und arbeite, gehörte von Anfang an zusammen, und das Neue für uns in der Bewusstseinsseelenzeit ist nun, dass ora und labora nicht mehr auseinanderfallen. Weder zeitlich noch räumlich noch inhaltlich, sondern das Ich ist diese substanzbildende Kraft, die in sich ora und labora verbinden kann.
Das Schöpfen von Mehrwert aus dem Geistigen entsteht durch die Verbindung mit dem Ich. Mehrwert entsteht durch die Realisation des Geistigen, indem es von dem Ich auf der Erde aufgegriffen wird. Durch nichts anderes, und nie ist Mehrwert durch etwas anderes entstanden! Die Tragik dieser Zivilisation ist nun, dass heute unter Bedingungen, die wir erst seit dem letzten Drittel oder maximal seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts haben, dass unter diesen Bedingungen gesellschaftlicher Möglichkeiten der Begriff des Mehrwertes immer mehr von dem Ora getrennt worden ist. Die Tragik ist, dass das 21. Jahrhundert damit vor dem Problem der Ahrimanisierung des Mehrwertbegriffes steht. In einer Zeit, in der eigentlich sich das Ich mit der Arbeit und durch die Arbeit, durch den gesellschaftlichen Reichtum individualisieren könnte, hat man diesen Zusammenhang weitgehend vergessen. Und es entsteht das, was absolut tödlich für das sich Finden des Ich im Verhältnis zur Wirklichkeit ist: es entsteht der Job-Gedanke, der geeignet ist, gerade die Verbindung des Ich mit der Welt vollständig zu ruinieren.
Ich habe es schon häufiger gesagt – und das gehört auch mit zur Tragik des Ruhrgebietes und insbesondere auch Bochums mit dem Opel-Werk – : Man muss sich daran gewöhnen, wenn der Mehrwert aus der ätherischen Kraft des Ich kommt, aus dem Kleinen das ganz Große wird, dass dann dieser Mehrwert nicht mehr im Sinne des alten Michaelismus aus dem Metall geholt werden kann. Wir haben ja bis hin zur Autoindustrie eine Situation im 19. und 20. Jahrhundert gehabt, in der diese geistige Bewegung, von der ich sprach, sich auch ganz real in einer Mehrwertschöpfung durch Metallverarbeitung inkarniert hat. – Doch diese Zeit ist zu Ende. Ich würde realistisch und nüchtern darauf blicken und sagen: Es muss uns gelingen, diesen alten michaelischen Grundgedanken der Wirtschaft und der Zivilisation des Mehrwertschaffens durch Metallverarbeitung im Übergang vom Monden-Metall zum Sonnen-Metall zu ersetzen. Und das wäre die ätherische Wirklichkeit.
Wir stehen mit der Ätherisation der Wirklichkeit durch das Ich vor der großen Chance, dass wir vom Monden-Metall in das Sonnen-Metall übergehen. Wir stehen vor der Chance, dieses Monden-Metall in das eigentliche Sonnen-Metall der ätherischen Wirklichkeit durch das Ich umzuwandeln. Und das wäre die Verchristlichung im Sinne eines auch kulturellen und wirtschaftlichen Monismus. Auszusteigen aus der Ich-Wirklichkeit, die immer nur gespiegelt und gedeutet ist, und einzusteigen in eine Ich-Wirklichkeit, die schaffend wird. Es ist eine Tragik des 21. Jahrhunderts, wenn in der Finanz-, Wirtschafts- und Autokrise die Probleme der Gegenwart durch Methoden der Vergangenheit gelöst werden sollen, die eigentlich erst in diese Probleme hineingeführt haben. Mit anderen Worten: Wir haben auch hier etwas mit Händen zu greifen, bei dem die Anthroposophie meines Erachtens an einem entscheidenden Wendepunkt steht: Haben wir eigentlich Gegenwart, oder haben wir prolongierte Vergangenheit, die permanent mit der Gegenwart verwechselt wird? Wir brauchen ja gegenwärtige Michaelität, nicht vergangene Michaelität. Und in diesem Sinne entsteht Mehrwert nicht nur nicht aus dem Geldverdienen, es wird Mehrwert auch nicht aus dem früher Michaelischen und nicht aus den Metallveredelungsmethoden der Vergangenheit entstehen, sondern nur durch die Präsenz des Menschen, durch das Ich, durch sein Dabeisein an der Sache und an der Tätigkeit.
Es gibt ja den Heilpädagogischen Kurs vom Juni 1924, und auch da sehe ich Ansätze für die notwendige, große menschenkundliche Revision der Anthroposophie. Schon im ersten Vortrag gibt es gewaltige Aussagen, in denen Rudolf Steiner sagt, und das klingt eigentlich ganz minimalistisch, also das ganz Kleine: „Wenn Sie nur einen Tag durch die Welt gehen und Sie blicken in diese Welt, dann halten Sie das für etwas Geringes. Es ist aber nichts Geringes.“ Dann folgt die interessante Wendung: Indem ich nur einfach durch die Welt gehe wird diese Beziehung zur „Außenwelt im irdischen Sein die Innenwelt im außerirdischen Sein.“ Das heißt also: Nachtodlich wird die Beziehung, die ich hier zur Welt aufbaue, zu einer Ich-Wirklichkeit, zu einer Realität meines eigenen Inneren. Und wie wäre es, wenn man jetzt die Frage stellt: Gilt das nicht heute auch schon vortodlich? Sind wir nicht mit der Bewusstseinsseele, mit der Ätherisation der Wirklichkeit, an deren Schwelle wir stehen, an einen Punkt gekommen, wo man sagen muss: mein Innensein, meine Subjektivität, meine innere Gefühlslage – auch wie ich mich gegenüber anderen Menschen erlebe, wie ich von anderen Menschen erlebt werde – hängt zunehmend davon ab, ob ich in eine Weltverbindung eintreten kann, in deren nichtantizipierbarem Resonanzgeschehen sich aus der Weltbeziehung überhaupt erst mein Innensein ergibt. Dann bin ich in der karmischen Situation angekommen, die individuell zu mir gehört. Dann bin ich auch zwischenmenschlich an der zwischenmenschlich-karmischen Situation in den Schicksalsverhältnissen angekommen, oder ich komme dann an die zu mir gehörenden Beziehungen. Und wenn ich diese Weltbeziehung nicht vollziehe, könnte es auch sein, dass sich zwischenmenschlich gar keine Gegenwart einstellt, sondern nur Vergangenheitsverhältnisse als falsche Gegenwart prolongieren. – Ein riesiges Problem bis in die persönlichen Beziehungen hinein.
Man kann noch einen Schritt weitergehen, damit auch der Begriff Substanzbildung im Ätherischen etwas genauer verständlich wird. Es kann dann etwas später im Heilpädagogischen Kurs deutlich werden: Durch diese Weltbeziehung, die das Innensein im Nachtodlichen geworden ist, entsteht im Ich diejenige Kraft des Denkens, die dann vorgeburtlich den Leibeszusammenhang bildet.
Jetzt stellen Sie sich vor, dass die Kraft des Denkens zu einer inneren organbildenden Kraft wird, denn es ist ein Irrtum zu meinen, dass das Denken ein Bilden von Zusammenhängen abstrakter Art wäre. Denken ist die Sensibilisierung des Ich für das Bemerken von Empfindungszusammenhängen. Es gilt für das heutige Michael-Zeitalter, dass das Denken nicht mehr die Abspiegelung, nicht mehr die Monden-Metall-Abspiegelung von Wirklichkeit ist, sondern dass Denken eine Sensibilisierung des Ich im Zusammenhänglichen darstellt, durch die das Ich immer mehr Empfindungs- und Wahrnehmungszusammenhänge bemerken kann. Und Organismus ist nichts anderes als die gegenseitige Sensibilität von Organen.
In diese gegenseitige Sensibilität von Organen steigt das Ich ein durch das Selbstsensibilisieren im Ätherischen, durch das Bemerken von Denkzusammenhängen. Das Denken ist nicht mehr Interpretation der Empfindung und der Wahrnehmung, sondern das Denken wird in der neuen ätherischen Sonnenwirklichkeit Michaels Grundlage für Empfindung, Wahrnehmung und Organismus. Und das ist im 21. Jahrhundert nicht mehr nur (wie noch im Heilpädagogischen Kurs) eine Wirkung zwischen dem irdischen und dem nachtodlichen beziehungsweise vorgeburtlichen Ich auf den Organismus, sondern das findet schon hier irdisch im Sinne der Ätherisierung statt. Es ist fast so, dass alle Organe, auch die seelischen Organe, und die Wahrnehmungsorgane, aber auch die inneren Organe regelrecht darauf warten, dass diese Selbstsensibilisierung eintritt. Würde sie nicht eintreten, dann würden die Organe unzeitgemäß krank. Dann würden sie nicht im Sinne der Ätherisation durch die Ich-Arbeit so individualisiert, dass sie weiterhin Grundlage für die Ich-Entwicklung sein können, sondern sie hätten sozusagen eine verkürzte Realisierung und würden beispielsweise schon in der Mitte des Lebens krank. Sie warten auf diese Nachqualifizierung durch das Ich, das in Empfindung und Wahrnehmung durch das Denken sich selber sensibilisiert. So, dass das Ich durch das Denken nicht nur die alte Empfindung, Wahrnehmung und den alten Organismus deutet, sondern durch die Kraft des Denkens in die entsprechenden Bildungszusammenhänge einsteigt – das ist Mehrwertbildung. Das ist, geisteswissenschaftlich und im Sinne der angesprochenen Esoterik, die eigentliche Mehrwertbildung, die jetzt nicht nur in der gegenseitigen Resonanz zwischen irdischer und nachtodlicher Existenz stattfindet, sondern schon hier auf der Erde.
Das bedeutet auch, subjektiv ist objektiv und objektiv ist subjektiv. Mir hat einmal jemand geschrieben, wenn man länger mit mir zu tun hätte, müsste man sich an einen objektiven Subjektivismus gewöhnen. Ein objektiver Subjektivismus ist kein schlechter Begriff. Es ist nur noch das Realität, bei dem das Ich dabei ist und umgekehrt: ein subjektiver Objektivismus. Gab es die Bochumer Schule hier schon, bevor ich sie kannte? Ist der Wald draußen real, wenn ihn keiner wahrnimmt? Es gibt eine Zwischenstufe: Ist das Kind eigentlich real, das ich nicht im Sinne der neuen Empfindlichkeit, im Sinne der Selbstsensibilisierung durch das Denken sehe? Ist es da, wenn ich es nicht sensibel bemerke? Bin ich eigentlich real, wenn ich in meinem Erleben nicht von jemanden miterlebt werde? Wie ist das mit subjektiv und objektiv? Und zwar in meinem Erleben, nicht wie es subjektivistisch ist, sondern in meiner erlebten Verbindung mit der Welt. Die Verbindung mit der Welt im Sinne der neuen ätherischen Stufe ist nur real, wenn dieses Welterleben von mir von jemand anderem potentiell miterlebt werden kann; und hier sind die Verstorbenen ungeheuer präsent. Das muss nicht immer bewusst sein, aber im Prinzip muss mein Welterleben von jemandem miterlebt werden können. In der neuen ätherischen Wirklichkeit, die durch das Arbeiten des Ich in der Welt entsteht, sind die Verstorbenen permanent präsent. Denn an dieser ätherisch-michaelischen Schicht können sie unmittelbar durch Partizipation an meinem Erleben miterleben, – aber auch lebende Menschen können das.
Es gibt von Thomas von Aquin im Anschluss an Aristoteles eine herrliche Stelle im Physik-Kommentar, wo er auf die Grundfrage zwischen subjektiv und objektiv eingeht und sie mit einem Satz löst. Thomas sagt an dieser Stelle: „Nicht alles Wahrzunehmende wird immer wahrgenommen, aber nichts Wahrnehmbares ohne Wahrnehmenden.“ Man kann die Subjektiv- und die Objektiv-Seite nicht auseinanderreißen. Es geschieht nicht immer aktuell, aber es wäre eine völlige Illusion, eine objektive Welt zu denken ohne diese Anwesenheit des Ich. Der neue Mehrwert, die neue Realisation der Welt im Ätherischen, dieses Schaffen der Welt durch die Selbstsensibilisierung im Empfindungs- und Wahrnehmungszusammenhang bedingt, dass in diesem subjektiv-objektiven Terrain immer mehr gelebt werde: Nichts Wahrnehmbares ohne Wahrnehmenden, nichts Denkbares ohne Denkenden, keine Welt ohne Ich. In diesem Sinne entsteht Mehrwert allein aus der Kraft des Ich, das sich in dieser Weise mit der Welt verbindet und in der Resonanzwirkung auch immer stärker in die Welt hineinwachsen kann.
Man könnte sagen, die Arbeit teilt das Schicksal des Ich. Sie ist eine Kraft, die heruntersteigt, die durch die Jahrhunderte, die Jahrzehntausende der Menschheitsentwicklung bisher heruntergestiegen ist und die dann wieder beginnt aufzusteigen. Eine Kraft, die das Schicksal des Ich soweit teilt, dass sie mit dem Ich heruntersteigt. Und wir haben uns zu fragen, was hat diese neue Situation mit der Bewusstseinsseele und dem 21. Jahrhundert zu tun? Immer ist die ahrimanische Gefahr der Verdinglichung da, der Verobjektivierung des Geldes. Rudolf Steiner hat ja im Zusammenhang des fünften Evangeliums 1911 davon gesprochen, dass Christus die luziferischen Versuchungen zurückweisen konnte. Die luziferischen Versuchungen waren in der Wüste: Stürze dich von der Zinne des Tempels, und die Engel werden dich tragen, wenn du in Vollmacht bist. Oder: Wenn du mir huldigst, dann werde ich dir alle Reiche dieser Welt übergeben. Das sind die luziferischen Versuchungen gewesen. Die erste Versuchung war aber die ahrimanische, nämlich Steine zu Brot zu machen. Rudolf Steiner sagt interessanterweise: Es gibt in der Menschheitsgeschichte die ahrimanische Versuchung, Steine zu Brot zu machen, und er verbindet das mit der Mineralität auch mit der des Geldes. Wir brauchen das Geld, das alte Metall sozusagen, um zu essen. Das Geld ist ja eigentlich nichts anderes als Ausdruck der alten Form des Mehrwertschaffens am Monden-Metall. Wir brauchen das Geld, um zu essen, und diese ahrimanische Versuchung war von Christus nicht zurückzuweisen und nicht einzulösen.
Ich möchte damit fragen: Sind wir über diesen Punkt hinaus, ist die ahrimanische Versuchung mit dem 21. Jahrhundert und dem derzeitigen Stand der Bewusstseinsseele zugänglich geworden, lösbar geworden oder nicht? Damit müssen wir umgehen. Es bleibt natürlich, gerade auch wenn es sich jetzt wieder um eine Aufstiegsbewegung handelt, die luziferische Versuchung, und die kann auch jeder in sich nachvollziehen. Es gibt eine luziferische Versuchung, die ich einerseits „finanziellen Größenwahn“ nennen würde, und „idealistisch-geistiger Größenwahn“ andererseits. Wir sind, was die sogenannte Finanzkrise betrifft, in den Folgen eines finanziellen Größenwahns, der gespeist wird von Empfindungen, die rein luziferisch das Ich gerade von dieser michaelischen Bewegung, von der wir sprechen, abgehalten hat. Die ärmsten Menschen sind ja die, die im finanziellen Größenwahn sind, so dass jede Weltverbindung ihnen unmöglich wird, die sich selbst durch ihr Geld die Weltverbindung verunmöglichen. Das schlägt jetzt aber im Sinne einer massiven Resonanzwirkung, eben der sogenannten Finanzkrise, brutal zurück.
Es gibt auch einen idealistischen oder geistig-luziferischen Größenwahn, nämlich den, dass man den Eindruck hat, wir könnten Antworten geben. Dass man den Eindruck hat, man hätte den besseren Weg schon vor Augen und man könnte über das Fragenstellen hinausgehen – das geht aber nicht. Es gehört auch zu einer Art von neuer Lebensklugheit des Ich in der ätherischen Grenzsituation, dass man sich realistischer Weise sagt: Es wird nicht ohne Schwankungen zwischen der ahrimanischen und der luziferischen Versuchung ablaufen. Es kann nicht darum gehen, dass ich die ahrimanische und die luziferische Versuchung ausschlage, sondern es kann nur darum gehen, zwischen beiden in einem gewissen Schwanken einen Weg zu finden, der durch dauernde Überprüfung mich zu meiner eigentlichen Ich-Position zurückbringt. Durch dauernde Überprüfung: Wo bin ich eigentlich? Wo bin ich in diesen Themen? Wo bin ich, wenn ich morgens aufstehe? Wo bin ich, wenn ich irgendwelche finanziellen Transaktionen mache?
Nach dieser, wenn man so will, menschenkundlichen Grundlage, möchte ich gerne einige Grundaussagen dieser neuen Menschenkunde des Ich in der ätherischen Arbeit anschließen.
Ich möchte zumindest mit einigen Sätzen eine Praxis andeuten. Ein Arbeitsverständnis des 21. Jahrhunderts, das von einer inneren Erfahrung ausgeht, würde ich so beschreiben: Die Individualisierung des Willens führt erst zu der Einheit von Karma und Arbeit. Das wäre der moderne Beruf. Der moderne Beruf wäre, ich sage es noch einmal, durch die Individualisierung des Willens zu einer Einheit von Karma und Arbeit zu gelangen. Um etwas deutlicher zu machen, was ich meine, möchte ich an eine Erfahrung erinnern, die jeder kennt. Und zwar die Erfahrung des nächsten kleinen Schrittes, der nächsten kleinen Intention. Ich kann in jedem Moment mich fragen, nicht danach, was die große Intention ist, zu der ich sozusagen idealistisch hin will, sondern was ist die nächste kleine Intention, die ich sofort beginne zu realisieren. Der Begriff des Initium, des Anfangs ist wirklich ernst zu nehmen und nicht zu überlagern durch das, was man eigentlich machen „sollte“, sondern zu spüren: In diesem Angang, in der nächsten kleinen von mir realisierbaren Intention steckt das Karma, das nicht nur Vorstellung ist, sondern das bis in den Willen hinein real ist. Da hinein zu gehen, das ist die eigentliche moderne Berufsarbeit, in der sich Arbeit und Karma verbinden. Es gibt Menschen, die können das direkt michaelisch tun. Es gibt Menschen, die können direkt in dem, was sie beruflich machen, diesen Weg der nächsten kleinen Intention gehen und damit die Identität von Arbeit und Karma herstellen (und so auch das Ich in die Gegenwärtigkeit des Karma hineinstellen). Es gibt aber Menschen, die können das beruflich nicht tun. Ich bin der Überzeugung, dass es in dieser Hinsicht neue Rosenkreuzer-Situationen gibt. Es ist ein Kennzeichen einer rosenkreuzerischen Existenz, dass gerade diese karmische Willensintention durch den Arbeitsprozess nicht eingelöst werden kann, sondern dass sich das in einer Art von Parallelgeschehen vollziehen muss.
Ich glaube, es gehört zu den Kennzeichen der neuen ätherischen Arbeits-Ich-Situation, dass wir ein Sensorium dafür entwickeln müssen, wie Menschen zusammenleben können. Wie Menschen sich gegenseitig empfindend verstehen lernen können, bei denen die einen diese Realisation des Karma-Berufs tatsächlich in der Berufsarbeit vollziehen können, während die anderen, die sozusagen still, beruflich unerkannt und unspektakulär sind, etwas ganz anderes machen, die aber durch das, was sie in Ihrer Freizeit geistig tun – ich nenne es jetzt mal ihre Freizeit, obwohl es die eigentliche Arbeit ist – genau den gleichen Prozess vollziehen. Ich glaube, dass eine Verständigung zwischen diesen beiden Seiten mit zu den esoterischen Aufgaben aus der Geisteswissenschaft gehört, wie auch gesamtgesellschaftlich zu überprüfen, wie das Verhältnis ist, wenn sich diese Art von Differenzierung eben für die Gesamtzivilisation anzudeuten scheint. Das sind zwei grundsätzliche Lebenssituationen, eine michaelisch forcierte und eine rosenkreuzerische, die für die Zukunft zu verbinden wären.
Das war die erste Grundaussage zu der Identität von Karma und Beruf im nächsten kleinen Schritt. Und ich würde als zweite Grundaussage gerne hinzufügen: Dann und daraus entsteht die eigentliche Arbeit, die der individuelle Beruf ist, dadurch, dass in der ätherischen Welt eine Empfindung entsteht. Die Arbeit, die der individuelle Beruf ist, entsteht in der ätherischen Welt als Empfindung des Ich. Wir haben früher immer gelernt: es gibt den lateinischen genitivus subjektivus und den genitivus objektivus – Empfindung des Ich. Über den genetivus subjektivus, nämlich die Empfindung, die das Ich hat, haben wir jetzt die ganze Zeit gesprochen: Wie kann sich das Ich sensibilisieren für die neue sonnenhaft-ätherische Situation und das Hineinarbeiten in diese Weltsituation als die eigentliche Arbeit bemerken? Das wäre die neue Empfindung des Ich, die an der Welt gebildet wird. Und in dem gleichen Vorgang – das ist jetzt der genetivus objektivus – wird nicht nur das Ich für die Welt empfindlich, sondern die Welt und die Dinge werden für das Ich empfindlich.
Die Dinge und die Welt werden für das Ich empfindlich, das heißt: Es entsteht in einer Resonanzwirkung eine Wirklichkeit, die organisch im Sinne einer anfänglichen Sensibilität ist und bis in die Dinge der Natur hinein davon abhängt, ob das Ich dabei ist oder nicht dabei ist: die Empfindung des Ich. Die eigentliche Berufsarbeit, dass ich empfindlich für die Welt werde und damit bei mir und beim anderen Menschen empfindungsmäßig ankomme, ruft auch in der Welt und in den Dingen eine Empfindlichkeit für das Ich hervor. Die Welt braucht diese Anwesenheit des Ich.
Ist eigentlich die Katastrophensituation des letzten Frühjahrs (genaugenommen hatten wir gar kein Frühjahr, wir hatten Winter und Sommer – es gibt keine Übergänge mehr) ist die Katastrophensituation des Vulkanausbruchs, den ich nicht für ursächlich halte, sondern für eine Parallel- oder Begleiterscheinung, ist die Situation mit dem Öl im Golf von Mexico – ist das eigentlich ursächlich oder ist das Resonanzwirkung im Problematischen, eine problematische Resonanzwirkung auf die Abwesenheit des Ich?
Es gibt nicht nur feine Resonanzwirkungen, sondern es gibt inzwischen massive Resonanzwirkungen auf die Abwesenheit von Ich, und zwar die Abwesenheit von Ich in diesem neuen michaelisch-sonnenhaft-ätherischen Sinne, worin die Realität eigentlich anzusiedeln wäre. Wie wäre es zu denken, wenn der Empfindungsorganismus, der im Ich ausgebildet wird, auch jenseits der Schwelle der ätherischen Welt Wirkungen hätte? Arbeit wäre dann nichts anderes als das Ich, das an der Schwelle der ätherischen Welt tätig ist, sofern die Empfindlichkeit des Ich jetzt auch in die Welt Einzug hält und die Welt damit ich-förmig wird. Es gibt diese herrliche Situation im Johannes-Evangelium, wo Christus drei Mal sagt, insbesondere vor Pontius Pilatus: Ich bin es! Und das Kapitel davor, wo Petrus drei Mal sagt: Ich bin es nicht! Über etwas anderes sprechen wir im Moment nicht. Wie oft sage ich im Hinblick auf das Weltgeschehen, wie oft sage ich im Hinblick auf die sogenannte Objektivität der Dinge und der Natur, wie oft sage ich im Hinblick auf die Anthroposophie: Ich bin es nicht, sondern Rudolf Steiner ist es. Wie oft sage ich im Hinblick auf das Weltgeschehen: ich bin es nicht, sondern die und die sind es? Wie oft sage ich im Hinblick auf Fachkompetenzen: ich doch nicht, sondern die Fachleute. Im Hinblick auf das Naturgeschehen: naja, was sich da vollzieht in der Wirklichkeit, ich bin es nicht, und das Ökologische sollen die Fachleute und irgendwelche objektiven Programme erneuerbarer Energien lösen, aber ich doch nicht. Wie wäre es, wenn als eine neue kleine Kraft, die ganz groß wird, im Ätherischen alles darauf ankommt, dass ich es bin, in jeder Situation? Wo ich nicht in dieser Weise bin, da ist auch keine Realität im Ätherischen. Ich bin es, oder ich bin es nicht.
Und ich glaube, dass wir uns in dem doppelten Sinne, dem michaelischen und dem rosenkreuzerischen, daran gewöhnen können, vielleicht sogar müssen, dass die Arbeit des Ich an dieser Grenze immer mehr stattfindet. Die Wirklichkeit wird sich immer mehr danach bestimmen, ob die Menschen sagen: ich bin es nicht und ich delegiere es, oder ob die Menschen sagen: ich bin es und damit weltweit, menschheitlich allgemein hineinsteigen in diesen ätherischen Zusammenhang, auf den die Welt und auch die Hierarchien warten. Denn die Zukunft der Welt und die Zukunft der Hierarchien besteht nicht in irgendeiner alten gegebenen Form, sondern die Zukunft der Welt und der Hierarchien hängt davon ab, ob die Ich-Förmigkeit durch das Empfindlichwerden des Ich bis in die geistige Welt hinein Einzug halten kann. Denn das Ich-Förmig-Werden ist die einzige Zukunftschance, auch für die Hierarchien. Das ist jedoch keine geistige Fülle! Ich glaube, wir müssen uns im Sinne des Arbeitens an der Grenze zum Ätherischen daran gewöhnen, dass die Fülle nicht mehr Ausdruck von Wirklichkeit ist. Weder die finanzielle Fülle noch die geistige Fülle ist Ausdruck einer Wirklichkeit. Kriterium kann nicht mehr sein, wie viel von etwas da ist, auch nichtwie viel esoterische Inhalte, wie hohe hierarchische Zusammenhänge da sind, sondern Kriterium kann nur noch sein, wie stark das Ich in dieser Form „Ich bin es“ mit der geistigen oder physisch-irdischen Realität verbunden ist. Und auch darin kann das ganz Kleine unter Umständen ganz groß werden.
Arbeit in diesem Sinne ist letztlich die Kraft des Ich in der ätherischen Welt. Man könnte sich im einzelnen fragen was wäre denn nun eigentlich Schule, was wäre Ausbildung? Ich glaube, Schule wäre so etwas wie Karma I. Und Karma I ist Hinführen zu einer Empfindlichkeit für die Welt; und Karma II ist das eigenverantwortliche Einsteigen: Ich bin es! Die Professionalisierung der ausgewählten inneren individuellen Beziehung zur Welt – das wäre Berufsausbildung, die natürlich dann nie zu Ende ist, sondern immer weitergeht. Die Schule wäre sozusagen als Karma I die Eröffnung der Beziehungsfähigkeiten und der Entwicklungsmöglichkeiten für die Welt. Aber auch da gibt es eine Tragik, weil im Grunde genommen durch eine Mechanisierung des Bildungsbegriffs die neue Chance des gegenseitigen Empfindlichwerdens von Ich und Welt, die jetzt gegeben ist, nicht genutzt wird. Das Ich wird zur wirksamen Kraft in der ätherischen Welt, worauf die ätherische Welt irdisch wie geistig wartet. Das wird in Bildung und Ausbildung kaum bemerkt.
Wir hatten zwei Perspektiven; die eine Perspektive war: was früher ein irdisch-nachtodlicher Zusammenhang war, findet jetzt in der neuen Sonnen-Wirklichkeit statt. Findet in dem Sinne statt, dass gesagt werden kann: Außensein im irdischen Sein wird schon jetzt Innensein. Das Ich speist sich aus seiner Empfindlichkeit, die im Weltbezug entsteht. Die andere Perspektive war: Innensein in diesem Sinne wird immer mehr zum Außensein der Welt; und auch jetzt schon in dieser Inkarnation. Das Ich greift ein. Die gesamte aristotelische Überlieferung in deren Konsequenz, zumindest dem Anspruch nach, die Anthroposophie existiert, hat ja diese Weltverhältnisse beschrieben als eine Wirklichkeit des Entstehens und Vergehens, der Formbildung, der Entwicklung des Zusammenhangs und der Verbindung. Auch als eine Welt des Vergrößerns und Verkleinerns: das ist ja der ätherische Prozess überall. Und jetzt ist zu sehen: wir sind an dem Punkt, an dem in diese Welt des Wachstums, der Bewegung hinein, aber natürlich auch in die des inneren Wachstums und der inneren Bewegung, das Ich substanzbildend und nicht nur welterkennend einsteigt.
Meines Erachtens wäre die Berufsarbeit auf das Zukünftige hin immer wieder bereit in der Lage, neue Bereiche zu erschließen (das kennt man auch aus der eigenen biografischen Entwicklung), so dass in dieser gegenseitigen Sensibilisierung neue Wirklichkeit zu entstehen vermag. Im Übrigen ist es wichtig zu wissen, dass die Politik des nächsten kleinen Schrittes und die Politik der nächsten kleinen Intention, die auch zwischenmenschlich gelten, nicht hobbyhaft sind. Es besteht im Sinne dessen, was hier gesagt wurde, ein riesiger Unterschied zwischen Hobby und Beruf. Das Hobby rekurriert immer auf das in der Welt, womit ich schon verbunden bin. Wir haben in dem Sinne auch ganz viele hobbyhafte zwischenmenschliche Beziehungen. Das wirklich harte Berufliche, was nicht Hobby ist, das wäre in jedem Moment in die zwischenmenschliche Beziehungsdimension und in die Beziehung zu den Dingen der Welt, eine Zukunft hineinzunehmen, in der ich jetzt noch gar nicht bin. Dadurch entsteht erst Gegenwart. Die eigentliche Berufsarbeit im Unterschied zum Hobby wäre also das, womit sich das Ich auf die Zukunft hin verbindet. Aber nicht als die große Intention, die die Weltprobleme löst, ist diese Verbindung zu verstehen, sondern als der nächste Schritt, den ich jetzt in meinem Weltverhältnis, in meinem Empfindlichwerden für die Welt einlöse (wodurch die Welt auch empfindlich wird für mich).
Das ist die Form der Karma-Bildung, die nicht aus der Vergangenheit kommt. Und es ist sehr wichtig: Wie gelangen wir zu einer Form der Karma-Bildung, die nicht aus der Vergangenheit kommt? So dass wir auch die Anthroposophie nicht in dem Sinne missverstehen, als hätte Rudolf Steiner einen karmischen Strom aus der Vergangenheit beschrieben, in dem die letzte Inkarnation Ursache der gegenwärtigen ist. Sondern, dass wir verstehen können: nur wenn es mir gelingt in einem freien Schritt Zukunft frei zu legen, gelange ich in die Gegenwart – und damit stellt sich nachträglich der Entwicklungszusammenhang mit der Vergangenheit her. Es ist ein Irrtum zu meinen, die Anthroposophie wäre aus dem Goetheanismus, aus dem Platonismus oder aus dem Thomismus hervorgegangen, sondern man kann nur sagen: die Anthroposophie war ein freier geistiger Schritt, der sich nicht aus der Vergangenheit ergeben hat. Und da durch diesen freien Schritt die Anthroposophie Rudolf Steiners in der Gegenwart ankam, hat sich nachträglich der Entwicklungszusammenhang mit der Vergangenheit hergestellt. Hätte es diesen freien Schritt nicht gegeben, gäbe es die großen Entwicklungszusammenhänge Platonismus, Aristotelismus, Thomismus, Michaelismus und Anthroposophie weder karmisch noch geistesgeschichtlich. Diese Entwicklungszusammenhänge gäbe es nicht, wenn die Anthroposophie nicht als völlig freier Schritt vollzogen worden wäre. Beziehen Sie das auch auf die eigene Biografie und auch auf die eigene karmische Situation. Wenn ich jetzt nicht mein inneres Hobby-Gebaren überwinde und damit nicht die Verbindung mit der Zukunft herstelle und dadurch Gegenwart realisiere, dann werden meine eigentlichen Vergangenheitsimpulse, meine eigentlichen Entwicklungslinien aus der Vergangenheit gar nicht eingelöst. Biografisch wie karmisch nicht, auch zwischenmenschlich nicht, sondern dann wirkt eine falsche Vergangenheit als prolongierte Vergangenheit in der vermeintlichen Gegenwart. Das erfordert, vorsichtig gesagt, ein gewisses Umdenken.
Ist eigentlich im Sinne dessen, was hier gesagt wurde, die geistige Fülle, die Vergangenheitsfülle, irgendeine Weltfülle noch Ausdruck einer Bedeutsamkeit, einer Dignität? Zum Beispiel: Geldverhältnisse sind etwas ungeheuer Geistiges, Geldverhältnisse sind Resonanzformen des Geistigen. Gibt es im Geldbereich irgendeine Objektivität, die von der Individualität abzulösen wäre? Gehen Sie damit um, überprüfen Sie das. Gibt es im Geldbereich irgendeine Vergleichbarkeit zwischen Individualitäten? – Ich glaube nicht. Merkwürdig, dass gerade im Finanziellen eine untergründige geistige Mehrwertschöpfung im Sinne der neuen ätherischen Wirklichkeit permanent stattfindet oder eben nicht stattfindet: ganz individuell, mit relativ schwierigen Prognosemöglichkeiten. Es kommt alles darauf an, wie das Ich da drin steht.
Was bedeutet das für den Umgang mit Geldverhältnissen, die dann natürlich auch zwischenmenschlich völlig zu individualisieren wären? Ich will es nur andeuten: Wenn wir jetzt über das neue Sonnen-Metall der neuen Michaelsphäre sprechen, dann ist gerade auch bis in das Finanzielle hinein real gemeint, dass kleinste Kräfte große Wirkungen entfalten können. Das ist aber eine Frage des Glaubens und des Unglaubens, jetzt nicht im alten Sinne, sondern im Sinne: bin ich es oder bin ich es nicht. Inwiefern bin ich bei dem, was ich finanziell mache, dabei, oder klingt doch immer irgendeine Art von Versuch der Objektivierung mit? Oder ich gehe gar nicht nach meinen Kriterien im Umgang mit Geld, sondern nach Kriterien, die ich meine, verfolgen zu müssen – dies zu prüfen wäre interessant. Ich glaube, dass interessanterweise der Geldbereich einer derjenigen Bereiche ist, die am sensibelsten auf das Anklopfen des Ich wartet.
Die neue Kraftschlüssigkeit des Ich ist keine formidable, sie ist zunächst als Möglichkeit da, nicht als Wirklichkeit. Aber es gibt keine Wirklichkeit ohne Möglichkeit. Das sind die beiden großen aristotelischen Begriffe. Ich habe den Eindruck, dass das, was früher philosophische Theorie war, immer mehr in eine Wirklichkeit eintritt, es muss nur bemerkt werden. Wir haben immer mehr Wirklichkeiten, die nicht massiv als Realitäten auftreten, sondern als Möglichkeiten. Und nur indem sie vom Ich erfasst werden, wird aus diesen Möglichkeiten dann Wirklichkeit. Während das, was als Wirklichkeit schon da ist, immer stärker abfällt, ausgeflockt, weil es nicht zum neuen ätherischen Weltensein gehört, sondern noch Ausdruck des alten ist. Denn wie ist das mit allen Aussagen, die in die Richtung gehen „es ist nun mal so“? Mit allen Aussagen, die in die Richtung gehen „es ist unabwendbar, das ist nun mal die Realität“; also mit allen Aussagen, die Wirklichkeit aus Vergangenheitsentwicklung ableiten wollen? Ich glaube, die neue Realität, die neue Wirklichkeit, die aus der Möglichkeit kommt, hängt davon ab, inwieweit das Ich in der Lage ist, diese Möglichkeitsebene zu ergreifen, zu bemerken, sich sensibel zu machen, ohne dass es in die Wirklichkeit hineingezwungen wird. Ich halte das auch für eine alltägliche Orientierung, die außerordentlich erhellend sein kann und spirituell permanent sensibilisierend. Reagiere ich auf gegebene Wirklichkeit oder lebe ich aus den Realisierungen, die sich aus meinen Möglichkeiten ergeben könnten? Und ist diese neue ätherische Welt, ist diese Sonnenwirklichkeit etwas, was aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit überführt wird? Eine andere Welt steht daneben, die eine Art von Prolongation, von Fortschreibung dessen ist, was an vermeintlichen Realitäten aus der Vergangenheit überliefert ist – geistig wie irdisch.
Ich würde gerne abschließen mit einer Formulierung aus dem 9. Jahrhundert und wir können dazu fragen: Was hat diese Formulierung mit uns heute zu tun? Was hat diese Formulierung der Weltverwandlung mit dem zu tun, was wir als die neue Kraftschlüssigkeit des Ich versucht haben zu beschreiben? Die Stelle aus dem 9. Jahrhundert spricht von einer Verwandlung, die sich vollziehen wird in fünf Stufen, formuliert von Johannes Scotus Eriugena, einer dieser großen Johannes-Gestalten in der Geistesgeschichte, in seiner „Einteilung der Natur“ . Am Ende dieses gewaltigen Werkes spricht er von der Rückkehr der menschlichen Natur in den Geist. Er unterscheidet da fünf Stufen: die erste Stufe wird die Umwandlung des Körpers in Lebensbewegung sein. Ich sage es mit den Worten, an die wir uns schon ein bisschen gewöhnt haben: Die erste Stufe wird die Umwandlung der Substanz in Sensibilisierung, in Empfindlichkeit sein. Die zweite Stufe ist die Umwandlung der Lebensbewegung in Sinn; da steht lateinisch „sensus“; also geisteswissenschaftlich gesprochen, die Umwandlung des Ätherischen in eine Astralstufe. Das heißt, es entsteht eine neue Wirklichkeit. Ich glaube, wir haben es gegenwärtig mit einer Situation zu tun, in der die fünf Entwicklungsstufen, von denen Johannes Scotus hier spricht sich nicht nacheinander, sondern jetzt ganz parallel vollziehen.
Die erste Stufe: es ist nicht mehr Wirklichkeit, was da ist, sondern das ist Wirklichkeit, was in diesen Sensibilisierungsraum des Ich fällt. Die zweite Stufe: in dieser ätherischen Sensibilisierungswelt liegt der Keim für eine neue Astralwelt, das heißt für eine neue seelische Existenz: Das, was ich seelisch mitbringe – was an Innerlichkeit entsteht. Im Ätherischen gibt es kein Innen und kein Außen, Sein und Schein sind ungetrennt. Innen ist Außen, es ist eine gegebene Oberflächenbildung ohne Innen/Außen. Jetzt entsteht astral ein Innensein, ein Innenseelisches, und es gehört zu dieser neuen Schicht, dass das Innenseelische für den Menschen davon abhängt, was er im Ätherischen realisiert. Das heißt, ich habe zunächst keine Innerlichkeit mehr. Meine ganze, aus Biografie und Karma, aus Kindheit und Jugend mitgebrachte seelische Innerlichkeit gehört mit zu dem Alten, was ausflockt, was abgelegt wird. Ich kann gar nicht sagen, dass diese mitgebrachte seelische Innerlichkeit meine ist, obwohl sie sich so massiv aufdrängt. Sondern das, was meine eigentliche individuelle Innerlichkeit ist, was ich karmisch und biografisch einlösen kann, das hängt immer mehr davon ab, was ich in dieser Weltsensibilisierung als Innenlebnisse in mir gestalte. Dadurch komme ich seelisch eigentlich erst zu dem, was ich wirklich bin. Mein mitgebrachtes Seelisches ist immer mehr problematisch. Ich habe es zwar als Folie meiner Entwicklung, aber es wartet darauf, aus der neuen Empfindlichkeit im Ätherischen völlig neu qualifiziert und substanziiert zu werden – im Sinne von Johannes Scotus: die Lebensbewegung wird Sinn.
Die dritte Stufe ist die Umwandlung des „Sinnes“, (also „sensus“ – Innerlichkeit) in „Verstand“ – ich würde sagen in Denken. Das ist die andere Bewegung, die jetzt seelisch nach innen geht. Die Lösung der Depression kommt therapeutisch immer weniger aus biografischer Klärung. Die Lösung meiner Zuständlichkeit, meiner Stimmung, auch meiner zwischenmenschlichen Stimmung und Zuständlichkeit kommt einerseits aus der neuen Sensibilisierung im Ätherischen, kommt aber andererseits auch daraus – ich sag es einmal relativ kompakt – ob es mir gelingt, im Denken neue Zusammenhänge zu bemerken. Ob es mir gelingt, auch zwischenmenschlich, im Denken neue Zusammenhänge zu bemerken, die keiner bemerken kann außer mir. Wenn mir das nicht gelingt, wird mein Innerseelisches sich immer mehr verkrampfen in Richtung auf eine Depression und in Richtung auf ein Abgeschlossensein, auf eine Isolation des Inneren gegenüber dem Äußeren. Die dritte Stufe ist also die Umwandlung von Seelischem aus dem Denken heraus.
Und die vierte Stufe der Verwandlung nennt er die Umwandlung des Verstandes in Geist, des Denkens in Geist. Wie wäre es, wenn die Esoterik, mit der wir ja begonnen haben, heute darin besteht, dass in der neuen Empfindlichkeit auch ein neuer Geistbezug liegt. Er entsteht einerseits durch den neuen Weltbezug, andererseits indem ich im Denken Zusammenhänge bemerke, die noch keiner bemerkt hat, die nur ich bemerken kann, weil da die Individualisierung längst wirkt. Was ich bemerke ist nicht besonders toll, aber es bildet den neuen Zusammenhang. Wie wäre es, wenn aus diesen zwei Bewegungen sich ein neuer Geistbezug auch im Spirituellen, auch im Sinne der Geisteswissenschaft, auch im Sinne einer neuen Anthroposophie herstellt, der aber die Ich-Empfindlichkeit hat, von der wir gesprochen haben. Eine Geist-Wirklichkeit, eine Geistselbst-Wirklichkeit könnte man präziser sagen, die aus der Empfindlichkeit des Ich als eine reale spirituelle Resonanzwirkung hervorgeht, auf die auch die geistige Welt längst wartet. Und deren Wirkungen schlecht aus Vergangenheit zu prognostizieren sind.
Es folgt noch die fünfte Stufe. Johannes Scotus nennt das übersetzt eine neue Wirklichkeit im Geist. Wie wäre es zu denken, dass Arbeit damit zusammenhängt, durch ein zukunftsgerichtetes Ich-Verhältnis zur Welt zu bemerken, dass der erste Schritt der Umwandlung der Wirklichkeit in Geist sich schon vollzogen hat. Dass mit diesem Stand der Bewusstseinsseele eine Situation entstanden ist, in der, wenn man das im Bilde ausdrücken will, das Raumschiff schon abgehoben hat und dass aus der ätherischen Stufe heraus, sozusagen von oben her, sich in Zukunft bestimmen wird, was irdische Wirklichkeit ist. Und dass diese Bestimmung, was irdische Wirklichkeit ist, immer mehr aus der Empfindlichkeit im Ätherischen entsteht. Und das geschieht, wenn diese Stufe der Wirklichkeit entsteht, in welcher Erde und Geist wirklich identisch werden, – durch die Arbeit des Ich.