27. Juli 2022

Paralleluniversum voller Poesie


Ramona Rehn entwickelt mit Hilfe einer Lochkamera traumhaft anmutende Bilder.
© Quelle: Heidrun Voigt

Wer Ramona Rehns Lochkamera-Arbeiten betrachtet, begibt sich auf eine poetische Reise in ein Paralleluniversum.

Eichwalde. Ramona Rehns Arbeiten strahlen Poesie und Ruhe aus. Es sind verdichtete Bilderwelten, in denen Licht und Empfindung im Mittelpunkt stehen. Die Künstlerin arbeitet mit einer Lochkamera, einem einfachen Apparat, bei dem durch ein winziges Loch das Licht auf einen Film fällt. Es ist eine Art Camera obscura, nur viel kleiner.

Die Eichwalder Badewiese, wie sie die Künstlerin mit ihrer Lochkamera sieht.
© Quelle: Ramona Rehn

„Die meisten Sachen habe ich mehrfach belichtet. Manchmal ändere ich die Perspektive, nehme so Aspekte rein, die mir wichtig sind“, erläutert die Künstlerin. Durch diese Mehrfachbelichtungen und geringste Bewegungen erhalten die Aufnahmen eine Unschärfe. Diese Unschärfe und das Übereinanderschichten von Bildern schaffen aus dem Gesehenen ein geheimnisvolles Paralleluniversum. Das so Abgebildete eröffnet einen besonderen Raum für Interpretationen. Die hervorgerufenen Assoziationen sind vielfältig und eindringlich.

„Pappel Sabina“ heißt dieses Schwarz-Weiß-Bild (Ausschnitt).
© Quelle: Ramona Rehn

„Der Zufall ist vollständig Teil des Prozesses. Man weiß nie genau, welches Bild herauskommt. Es ist jedes Mal spannend“, sagt Ramona Rehn. Sie betont, dass sie Farbe, Luft und Licht zusammenbringen möchte. Wie lange sie belichtet, wie das Umfeld und sie selbst sich bewegen, steuert sie dabei intuitiv. Eines ihrer zentralen Themen ist die Natur. Dort demontiert sie Sehgewohnheiten, entwickelt einen neuen surrealen Kontext in ihren Kameraarbeiten. Sie schafft Wunderwelten.

Themen der Eichwalder Künstlerin sind die Natur und der Mensch

Da ist beispielsweise der Mohn, der die Bäume zu überragen scheint, selbst zum Baum wird und sein Rot fließen lässt. Da sind die Flechten, die sich in kleine tanzende „Typis“ verwandeln und lange Schatten werfen. Da ist die Eichwalder Badewiese – ein impressionistisches Gemälde aus der Lochkamera. Zwei Schwäne lassen sich erahnen und die Wärme flirrt über den gelben Sand, das blaue Wasser. Aber auch Architekturausschnitte, wie den Bahnhof Südkreuz, oder Menschen bei der Eurythmie, einer anthroposophischen Bewegungskunst, hat die Künstlerin mit ihrer Kamera festgehalten.

Ihr Garten am Haus in Eichwalde dient Ramona Rehn oft als Inspirationsquelle (Ausschnitt).
© Quelle: Ramona Rehn

Zur Anthroposophie hat Ramona Rehn ein enges Verhältnis. Rudolf Steiner begründete Anfang des 20. Jahrhunderts seine Lehre zum Verständnis von Natur, Geist und menschlicher Entwicklung. Die Waldorfpädagogik beispielsweise beruht auf Steiners anthroposophischer Menschenkunde. Ramona Rehn arbeitet für die Turmalin-Stiftung und die Delos-Forschungsstelle, die in einem engen Zusammenhang zur Lehre Steiners stehen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin ist dort im künstlerisch-ästhetischen bis in den therapeutischen Bereich hinein tätig. Eine Zeit lang hat sie auch als Waldorfpädagogin gearbeitet.

Ramona Rehn studierte in Basel Malerei

An der „neueKUNSTschule Basel“ hat Ramona Rehn vier Jahre lang Malerei studiert. Die gebürtige Sprembergerin ist in der Lausitz aufgewachsen und absolvierte eine Ausbildung zur Schlosserin und ein Studium zur Diplomingenieurin. Nach der Wende arbeitete sie am Zittauer Theater und ging danach in die Schweiz. Dort lebte sie 23 Jahre.

„Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich lieber von Basel weg- als hingefahren bin.“ Da war der Zeitpunkt für die Frau gekommen, nach Deutschland zurückzukehren. Das war vor vier Jahren. Seitdem lebt sie in Eichwalde in einer alten Villa, in der auch die Turmalin-Stiftung und die Delos-Forschungsstelle ihren Sitz haben. Im Ort schätzt sie besonders die fachliche Kompetenz des Fotogeschäfts Wollermann und des Rahmenservice Stange aus Schulzendorf, die ihr bei der Entwicklung beziehungsweise dem Aufziehen der Fotos helfen.

Eichwalder Künstlerin malt auch und arbeitet mit Wachs

Auch in der Malerei ist Ramona Rehn zu Hause. Am liebsten arbeitet sie mit wasserlöslichen Ölfarben auf Leinwand oder Holz. Dabei entstehen verdichtete Bildwelten, in denen Figuren agieren. Blick für Blick kann sich der Betrachter die Lesbarkeit erschließen, wie bei dem erwachenden Löwen, dessen Leib wie eine Landschaft anmutet.

Der Löwe und die Landschaft sind eine feste Einheit.
© Quelle: Heidrun Voigt

Zudem experimentiert die Künstlerin gern mit Wachs, Blüten und anderen Materialien. Die Küche ist ihre Werkstatt. Dort entstehen farbige Wachsplatten mit unterschiedlichen Einschlüssen. Die Natur mit ihrem unendlichen Farben- und Formenreichtum ist Rehn dabei eine große Inspiration. Eines wird in allen Arbeiten Ramona Rehns spürbar: Sie bevorzugt nicht unbedingt gedanklich aufgebaute Bilder. Es geht ihr um optische Sensibilität, um das Erleben, das Empfinden.

Von Heidrun Voigt

Märkische Allgemeine Zeitung 27.7.2022